#4 berufsvorbereitende Bildungsmassnahme: November 2007

Freitag, 30. November 2007

Tag 24

Sitze gerade hier im EDV-Raum in "Geschichte" und sollte möglichst viele Informationen zum Suchbegriff "deutsches Reich" finden.
Als ich dann bei der Frage nach seiner Dauer einwand, dass das "deutsche Reich" formell immernoch fortbesteht, entwickelte sich die Diskussion zwischen dem Lehrer und mir dahingehend, dass er mir erzählen wollte, dass der einfachste Weg, ein "besiegtes Volk" zu schwächen, der sei, die "Identität des Volkes" zu zerstückeln. Meine Antwort wurde nur mit,

"'Morgenthau-Plan'... da kommt der mir hier mit 'Morgenthau-Plan'!"

beantwortet. Die auf meiner Zunge liegende Parole zu dem Thema verkniff ich mir dann jedoch lieber. Auch wenn ich nichtmal glaube, dass er es mir sonderlich übel genommen hätte. Aber nach seinem Identitäts- und Volk-Geschwafel wollt ich es lieber bleiben lassen.

Jetzt, nach der Pause, geht es weiter. Er wollte noch mit mir diskutieren, da ich ihm jetzt den Ausschnitt aus der Zeit gegeben habe. Nun versucht er sich rauszuwinden damit, dass er ja nieee bestritten hätte, dass ein Unternehmen auschließlich auf Profitmaximierung ausgerichtet sein kann.

Ich hätte es nie erwartet, aber ich habe es geschafft heute zwei Begriffe zu benutzen, die unter Garantie noch nie in diesem Bildungszentrum gefallen sind:
queer theory und Speziesismus.

Solche intellektuellen Höhenflüge werden dann jedoch sofort wieder relativiert durch Dialoge wie Folgenden:

"Was schätzen Sie, wie lang so ein Erbgut aus einer Zelle ist?"
"Einmal um die Erde!"
"Nein, da denken Sie viel zu gross..."
"Ein Hektar!"
"Äh... das ist ein Flächenmaß..."
"Dreissigtausend Kilometer!"
"..."

Irgendwann wäre ich auch sprachlos, wenn ich da den Lehrer spielen müsste.


Der Rückweg zum schlammigen Parkplatz wurde mir durch einen dieser seltenen Momente versüsst, in denen das Leben Humor und ein gewisses Gefühl für gutes Timing beweist:

Genau in dem Moment, als es für ihn kein Zurück mehr gab, sah sich der gut gekleidete Mittfünfziger, der nach gründlichem Umsehen in die Büsche direkt neben der Strasse, pinkeln wollte, einem um die Ecke biegendem, voll mit Schulkindern besetzten Linienbus gegenüber und versuchte panisch sich zu verstecken ohne sich zu bepinkeln.

Ganz, ganz grosses Kino.
Ich stand auf der anderen Strassenseite und habe tatsächlich laut gelacht.
Hach.

Donnerstag, 29. November 2007

Tag 23

Woher soll ich denn ahnen, dass "im Winter" die erste Stunde für unsere Klasse pauschal ausfällt?
Sowas sagt mir ja auch niemand.
Der Vorteil der vertanen 45 Minuten - und 45 Minuten sind morgens um Sieben natürlich ungefähr so lang, wie drei Stunden am Rest des Tages - war jedoch, dass ich ungestört das halbe Berufskolleg zustickern konnte.

Letzte Woche hatte ich ja noch überlegt, aufgrund der einfach widerlichen Deutschtümelei des Deutschlehrers mal mit der Klassensprecherin zu reden, um den langen Marsch durch die Institutionen anzutreten. Tja, warum so kompliziert, wenn es auch viel einfacher und stilvoller geht:

Drei türkischstämmige Mädchen unterhalten sich zu Beginn der Stunde auf türkisch.
Lehrer: "Hey! Nur deutsch reden!"
Mädchen: "Siktir lan."
"Bitte?"
"Nix."
"Ah. Achso. Gut, also lasst uns anfangen..."

Es stört mich übrigens unglaublich, dass eineN die meisten LehrerInnen duzen. Ich bin es gewohnt mit Vorname+"Sie" angeredet zu werden von LehrerInnen.
Und jede Stunde nehme ich mir aufs Neue vor, bei der ersten direkten Ansprache, in der ich geduzt werde, mit gleicher Münze zu antworten.
Und traue mich dann doch nicht.

Als ich dann die Antworten der türkischstämmigen Mitschülerinnen, auf die Frage nach den verschiedenen Unterkategorien des Islams, noch um den Wahhabitismus ergänzte, sprang meine Soldatinfreundin von Gestern auf:

"Ey, da muss der Nicht-Türke euch erstmal zeigen, wie das geht? Boah!"

Ich muss die irgendwie loswerden.

Mittwoch, 28. November 2007

Tag 22

Feige Schweinebande!
Nachdem mein Kontrahent in der Diskussion vom vergangenen Freitag meinen unwiderlegbaren Beweis für meine These, dass jeder Konzern, egal wie gross, will er existieren, nur ein Ziel haben kann, nicht anerkennen wollte, halte ich nun in Händen, was auf ähnlichem Niveau sein sollte, wie seine aus Rankings und Tortendiagrammen zusammengeschusterte, Argumentation:
"Conn spricht aus, was Insidern längst klar ist: Ein Ölkonzern kann gar nicht grün sein. Ähnlich deutliche Worte findet der Mann mit dem messerscharfen Scheitel, wenn er über die Ziele von BP spricht. »Wir sind ein Unternehmen, keine Regierung!« Mit anderen Worten: An erster Stelle steht der Profit. Die Sorge um den Planeten kommt danach. Getan wird, was technisch möglich ist und was sich innerhalb der normalen Investitionszyklen rechnet. Wenn es sich grün verpacken lässt – umso besser."
Und was ist? Dieses Wiesel von einem Lehrer meldet sich krank, um seiner Aufklärung zu entgehen.
Schöne Arbeitsmoral hier.
Aber auf der anderen Seite, SchülerInnen die exakt sieben Minuten zu spät kommen, für einen Samstag zu fünf Stunden Nachsitzen herbeordern.
Schweinesystem, verdammtes!


Ganz schön viele speziesistische Beschimpfungen heute. Nicht gut.


Tja, wurde doch noch recht ereignisreich der Tag.
Bin in "zur besonderen Verfügung" erst einmal knapp an der Abmahnung vorbeigeschrammt.
Wir diskutierten aus irgendeinem Grund über Homophobie im Reggae, als dieses Mädchen da losposaunte:

"Scheiss Schwule! Scheiss Lesben!"

All die Argumente, die nachher kamen - Abmahnung wegen gewalttätigen Verhaltens; "Isch bin Türkin, Alter! Pass ma auf sonst lass ich dich fertig machen!" - fielen mir dann zwar auch nach und nach ein.
Aber da hatte der Kugelschreiber meine Hand ja schon verlassen.
Und als er dann traf, ging das Geschrei erst richtig los.
Kurzum: Der Lehrer war reichlich entrüstet über mein Verhalten und auch meine Argumentation, dass er uns ja noch vor einer Viertelstunde versucht hatte, zu erzählen, dass "verbale Beleidigungen eigentlich viel, viel schlimmer" seien, als körperliche Gewalt und ich mich also nur gewehrt hätte, liess er nicht gelten.
Leider hatte ich nicht genügend Kulis, um all diejenigen mit meinem Zorn zu strafen, die sich danach haltlos in Plattitüden ergingen:

"Das ist halt ihre Meinung..."

"Meinungsfreiheit bla... steht im Grundgesetz!"

"Bei einer Diskussion müssen sich beide Seiten aufeinander zu bewegen..."


Und die einzige Person, die mich sofort rückhaltlos unterstützte, war ausgerechnet, die, die vorher noch stolz erzählt hatte, wie sie bei ihrer freiwilligen Musterung die Fragen "Würden Sie ihre Familie erschiessen?" und "Würden Sie auch ein Kind erschiessen?" bejaht hat.
Grossartig. Bei solchen FreundInnen...

Nach der Diskussion musste ich in der Mittagspause erstmal raus da und mir eine Gesichtsmaske kaufen. Zum Glück hat das keineR von denen gesehen, sonst hätte ich ihre Vorurteile gegenüber Schwulen wohl nur noch bestärkt. Und das obowhl ich die obligatorische Frage:
"Was regst du dich so auf? Bist du schwul?"
Mit "Ist das wichtig?" nicht beantwortet habe. Gut gemacht.

Warum ich nun von der Mittagspause anfange:
Auf dem Weg zum DM lief mir nämlich ein ziemlich langweilig aussehender Typ über den Weg und spielte Musik ab. Allerdings in derart guter Qualität, dass ich mich schon meiner Tiraden gegen Handymusik vom Vortag schämte. Bis ich bemerkte, dass er seinen eingeschalteten Laptop unterm Arm quer durch die Innenstadt trug.
Mein erster Impuls war, ihm das Ding zu klauen.
Nicht um es mir anzueignen, sondern einfach um ihm zu zeigen, dass sowas halt passiert, wenn mensch seinen/ihren Laptop unter den Arm geklemmt durch eine Innenstadt trägt.
Aber selbst wenn es mir gelungen wäre, das Gericht davon zu überzeugen, dass keine Absicht zur Aneignung oder zu Gunsten Dritter vorgelegen hätte, sondern rein pädagogische Gründe: Ich wäre wohl nicht damit durchgekommen.
Ausserdem hatte ich ja gar nichts gegen den armen Outdoor-Nerd.
Aber es gibt so Momente, in denen bestimmte Dinge einfach getan werden müssen.
Und da der Laptop ja in Betrieb war und ich aus eigener Erfahrung weiss, wie wenig Höhenenergie eine laufende Festplatte verträgt, verfiel ich auf Folgendes:
Ich überholte ihn, pendelte etwas nach Rechts, holte mein Handy aus der Tasche, tat als würde ich es sehr intensiv bedienen und machte einen linksseitigen Ausfall in Richtung eines Ladeneinganges als er auf meiner Höhe war.
Zum Glück ging mein Plan nicht auf und er konnte sein Gerät festhalten als ich ihn anrempelte.
Im Nachinnein tut es mir wirklich leid und ich bin sehr froh, dass es nicht geklappt hat.

Aber wie gesagt:
Manche Sachen müssen einfach getan werden.
Und meistens bleibt es anscheinend an mir hängen.
Ich bin auch immer der, der die Handabrücke neben die "Achtung! Frisch gestrichen!"-Schilder in die Farbe macht.
EineR muss es ja tun.

Dienstag, 27. November 2007

Tag 21

Wenn der dritte Block - "Aktuelles" - zum wiederholten Male ausfällt*, ist die freie Zeit zu lang, um in der Stadt zu bleiben und zu kurz, um nach Hause zu fahren.
Also mache ich das einzig Sinnvolle und fahre trotzdem nach Hause. So sitze ich zwar das Gros meiner kostbaren "Freizeit" im Auto, aber wenigstens bin ich da alleine.

Und keineR dieser Bekloppten nervt mich mit seinem/ihrem Handy.
Das läuft hier nämlich so, dass der Pöbel sich bei jeder Gelegenheit um die Tische im Aufenthaltsräumchen gruppiert und dann jede Tischcrew ein Kollektivhandy bestimmt, welches mittig auf den Tisch gelegt wird, um in unglaublich schlechter Qualität die jeweilige Musik zu plärren. Wenn mensch sich also nun einigermaßen in die Mitte des Raumes setzt, findet mensch sich im Hypozentrum einer R'n'B-Trance-HipHop-Melange wieder, welche durch den gemeinsamen Nenner des beinahe greifbaren blechernen Tons schon fast wieder harmonisch wirkt.
Auf eine jedes Musikempfinden verletzende Weise.
Aber irgendwie "passt" es halt einfach zusammen.

Da waren mir doch zu präpolyphonen Klingeltonzeiten die Kids lieber, die sich im Bus gegenseitig ihre Ringtones vorgespielt haben. Das klang wenigstens noch nach Commodore**.

Entweder also die Pause in der physischen Rauchglocke vor der Eingangstür verbringen, oder der mobiltelefonistischen Kakophonie ausgesetzt sein.
Denn unschlüssig über den Flur schleichen nur die AussenseiterInnen.

*"Ihr geht jetzt auf Akquise. Bestätigungen, dass ihr da ward braucht ihr nicht."
** Nur aus diesem Grunde habe ich noch ein uraltes Nokia 3210, welches ich auch, solang der Toneditor noch funktioniert, nicht hergeben werde.

Montag, 26. November 2007

Tag 20

Es wird in naher Zukunft ein Problem geben.
Ich verspüre jede Stunde den beinah unwiderstehlichen Drang meiner/meinem jeweiligen SitznachbarIn auf den Arm zu boxen und "Weitergeben! Ohne Rückfahrkarte!" zu rufen.
Ich merke, dass ich es irgendwann nicht mehr werde unterdrücken können.
Ich hoffe nur, dass ich dann nicht neben einem/einer dieser ganzen Verrückten sitze, die auf jede noch so nette Frage mit "HÄ? WATT?!" antworten.

Heute habe ich den ganzen Tag - also von Acht Uhr morgens bis halb Fünf am Nachmittag - "Bewerbungstraining" im EDV-Raum.
Also exakt Siebeneinhalb Stunden rumsitzen und versuchen nicht aufzufallen.
Denn wirklich zu tun gibt es hier Nichts.
Ich soll jetzt einen "Bewerbungsflyer" erstellen. Keine Ahnung wofür das gut sein soll, da es nur ein doppelseitiges A4-Blatt sein wird, auf dem dann sowas steht wie:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
hätten sie ein paar Minuten Zeit für mich?
Ich möchte mich Ihnen gern vorstellen.
Möchten Sie mehr über mich wissen?
Dann blättern Sie doch einfach um!"

Ich sehe ein, dass ich bestimmt kein Experte in Sachen "erfolgreich Bewerben" bin - sonst säße ich ja jetzt nicht hier - und ich erkenne auch an, dass die Menschen die hier arbeiten garantiert mehr Erfahrung haben als ich.
Aber was zur Hölle soll dieser Bewerbungsflyer?
Wenn ich mich an die Vorlage halte, wird das Ding nachher so unglaublich dilletantisch aussehen, dass das ZK der ausbildenden MediengestalterInnen ein Memo rumschicken wird, mit meinen Daten, auf dass ich auf Lebzeiten auf deren roten Liste stehe und alle Bewerbungen in Zukunft ungeöffnet zurück bekomme.
Wenn ich allerdings hingehe und die Vorlage komplett überarbeite und einigermaßen anschaulich mache, so sieht das Ding zwar nicht mehr so verboten aus, Sinn machen wird es trotzdem nicht.
Ich stelle mir nur vor, was ich von jemandem hielte, wenn ich, in meiner fiktiven Position als Bereichsleiter Personalmanagement, solch einen Wisch zugeschickt bekäme.
Das Ding bringt gar nichts: Wenn ich das irgendwohin schicke, ist der einzige Effekt, der, dass der Betrieb mich dann anrufen soll um mich um eine Bewerbung zu bitten. Grossartig.
Das wird meine Chancen auf dem Ausbildungsmarkt drastisch erhöhen, wenn ich jetzt auch noch um meine Bewerbung bitten lasse.

Und wenn die beiden Bekloppten in der Reihe vor mir nicht endlich aufhören sich gegenseitig Blodinenwitze vorzulesen, mach ich ihre Rechner kaputt:

"Hier! Der ist gut!"
"Sach!"
"Was antwortet eine Blondine, wenn man sie nach vier Flüssen fragt?"
"Haha keine Ahnung!"
"Rhein-Inn-Main-Po!"
"Hahahahahahahaha! [Pause] "Inn" kenn ich nicht, aber der Rest ist witzig!"
"Das istn Fluss."
"Hahaha achsoooo!"

Und das machen die schon seit dreissig Minuten!


Das hier ist embedded journalism direkt aus dem Wahnsinn.
Die Beiden vor mir sind jetzt, nach zweieinhalb Stunden, von Blondinenwitzen in die Sparte "versaute Sexwitze" gewechselt:

"Was ist das: schwarz-rot-schwarz-rot-schwarz-rot?"
"Haha keine Ahnung!"
"Ein Neger beim Wichsen!"
"Hohoho..."
"Nur das mit dem "rot" kapier ich nicht..."
"Ich auch nicht..."

Freitag, 23. November 2007

Tag 19

Heute war es ganz in Ordnung.
Eigentlich nur wegen der letzten beiden Blöcke, in welchen wir zuerst "Politik" und danach "Einstellungstest" hatten.

Unser Wärter fing an mit der Frage
"Was bedeutet "Ethik" für euch?"

und enwickelte dann aus den, doch ziemlich stümperhaften, Antworten die Theorie, dass Gazprom zu boykottieren sei, da sie unethisch handeln.
Das war dann der Punkt, an welchem ich mich in die Diskussion einschaltete und behauptete, das "ethisch" oder "unethisch" für einen kommerziellen Konzern unzutreffende Kategorien seien. Es wurde eine tatsächlich sehr interessante Diskussion. Dass sie nur zwei Teilnehmer hatte war zu erwarten.

Der Tiefpunkt des Tages war in "Erdkunde", als wir anhand einer schematischen Karte Berlins diejenigen Merkmale herausfinden sollten, die dafür sprechen, dass Berlin eine Hauptstadt ist.
Hätten die beiden - ansonsten sehr sympathischen - Gefühlslinken noch ein einziges Mal "Lügenpresse!" gesagt, ich wäre aufgesprungen und hätte "Schweinesystem!" gebrüllt.

Nein, es stimmt nicht. Der Tiefpunkt war selbstverständlich die Pause, die ich im Aufenthaltsraum verbrachte und in welcher ich mir dann eine geschlagene Viertelstunde das übelste Schwulenbashing anhören durfte, das ich seit Langem gehört habe.
Leider waren diejenigen, die sich derart nachdrücklich über die Widernatürlichkeit des Posex austauschten, mir gänzlich unbekannt und niemand derjenigen in der Nähe, die mich seit Neuestem mit "Ralf, mein bester Freund!" begrüßen. Also beschloss ich feige zu schweigen und darauf zu warten, dass sie diese Diskussion wiederholen, wenn die Jungs aus meiner Gang zugegen sind, auf dass ich dann hingehen kann und einfach mal in die Runde werfen, dass ich ja "auch ganz gerne mal einen schön harten Schwanz lutsche".
Ob die mich danach dann runterschicken ist mir ja völlig egal, aber wenn ich dass heute schon getan hätte, so völlig ohne Autorität, ich denke der pädagogische Effekt wäre zu gering gewesen.
Vielleicht rede ich mir hier aber auch nur mein Kneifen schön.

Donnerstag, 22. November 2007

Tag 18

Der erste Eindruck des Berufskollegs heute Morgen war ganz gut. Riesiger Gebäudekomplex.
Innen sah es dann aus wie in einem Parkhaus aus den Zeiten, als Spannbeton noch hip war. Immerhin schön vollgestickert mit nonpd, Werbung für die Silvio-Meier-Demo und dem hier in der Gegend üblichen Antifakram.

Die ersten Worte, die unser Deutschleher sprach, richteten sich an drei türkischsprechende Schülerinnen:
"Nur deutsch reden, deutsch denken und deutsch handeln!"

Auf die Nachfrage, was denn nun ein "echter Deutscher" sei, kam dann

"Na, wir sind doch alle keine echten Deutschen mehr. Wenn sie nur mal bedenken, wer alles über Deutschland hergefallen ist!".

Der Rest des Unterrichts bestand dann eigentlich nur noch aus Angriffen gegen die aus seiner Sicht eindeutig als undeutsch identifizierbaren Teile der Klasse. Wenn das nächste Woche so weitergeht, werden wir da als Klasse wohl mal drüber reden müssen.

Gleiches gilt übrigens auch für den anderen Deutschkurs in dem ich sitze, also der bildungszentruminterne. Dort hat sich der Lehrer zwei vermeintlich türkische Mädchen herausgepickt und ihnen letztes Mal die ganze Zeit eindeutige Sprüche geschickt.
Habe mit den Beiden gesprochen und wenn das nächste Stunde so weitergeht, werden wir dann mal zu dritt zur Leitung gehen.

Ich bin ja schliesslich nicht hier, um mir FreundInnen zu machen.


Später hatten wir dann heute bei unserem Klassenlehrer, mit welchem ich mich dann auch direkt angelegt habe.
Ich sollte einen Anmeldebogen ausfüllen, welcher im Grunde nur aus Name und Anschrift bestand.
Und diesen vier Feldern:

  • Geschlecht
  • Konfession
  • Staatsangehörigkeit
  • Spätaussiedler
Habe ich natürlich alles frei gelassen.
Er fing dann an rumjammern, dass ich doch wenigstens Geschlecht eintragen solle. Habe ihm gesagt, dass ich das lieber nicht machen möchte, da ich denke das es meine Privatsache ist, was ich in der Hose habe. Er hat dann stümperhaft versucht mich zu überrumpeln:

"Das geht ja aus ihrem Namen hervor. Wenn Sie das partout nicht eintragen wollen, machen Sie halt nur ein "m" dahin."

Pah! Habe ich direkt durchschaut den Kniff und ihm das auch gesagt. Er war ziemlich genervt, wollte sarkastisch sein und meinte, ich solle halt "Neutrum" eintragen.
Habe ich dann auch gemacht.
Hat ihn noch mehr genervt.

Ich glaube, er hatte auch einen Verdacht von wem die einzige ungültige Stimme bei der folgenden KlassensprecherInwahl war...

Mittwoch, 21. November 2007

Tag 17

Von Heute gibt es wirklich nichts Spannendes zu berichten.

Die Tage vergehen ziemlich eintönig:
Völlig egal welches Fach auf dem Stundenplan steht - die/der LehrerIn versucht ohnehin nur dafür zu sorgen, dass sich niemand verletzt und es nicht so laut wird, dass es in die anliegenden Räume schwappt.

Habe also meine Zeit damit vertan, im EDV-Raum zu sitzen und Comics zu lesen.
Das Aufregendste heute war noch, dass ich im LehrerInnenzimmer die aktuelle Tageszeitung gefunden und mitgenommen habe, um so meine Pause sinnvoller zu verbringen. Sonst stehe ich nur rum und bin schon glücklich, wenn irgendwo die Sonne durch die Fenster scheint.

Da direkt neben dem Gebäude ein kleiner Abwasserkanal entlangführt, sorgte ein Schwarm, sich um Unrat zankender, Möwen im dritten Block für eine, zu meiner Laune sehr passende, geräuschliche Untermalung.

Morgen habe ich das erste Mal Berufsschule.

Dienstag, 20. November 2007

Tag 16

Die heutigen ersten beiden Blöcke habe ich wieder im EDV-Raum.
In der ersten Unterrichtseinheit bekamen wir sogar mal eine Aufgabe, die mir Spass gemacht hat, da sie sich letzten Endes als schwieriger als üblich erwies. Wir sollten, as ever, einen Text abschreiben und formatieren. Dieses Mal jedoch auch die Schriftarten erknobeln.

Meine Pause verbrachte ich im Aufenthaltsraum sitzend.
Da ich nun in einer andere Gruppe gekommen bin, sind all die Verrückten, von denen ich in der ersten Zeit erzählt habe, weg. Hier geht es eine ganze Ecke ruhiger zu.
Allerdings grüßen mich die Gangster aus der alten Gruppe seit Neuestem jedes Mal per Handschlag.
Ich saß also gerad im Pausenraum, als eben diese Gs ankamen, mir die Hand gaben, ihre obligatorischen rhetorischen Fragen stellten und sich dann wieder um ihren Kram kümmerten.

Ausser derjenige, den ich als ihr Alphamännchen identifiziert habe.
Er kam zu mir und sagte es hätte jetzt "noch richtig Ärger wegen diesen Nazis" gegeben. Ich bot ihm einen Stuhl an und wollte wissen was los sei.
Wie es scheint hat irgendein Neuer bei ihnen im Kurs gesagt, dass "das was die Nazis gemacht haben" richtig war, woraufhin sich die Macker dann an einen ähnlichen Vorfall erinnerten und ähnlich reagierten.
Haben diesem vermeintlichen Nazi nun also zu viert Schläge angedroht.

Der Unterschied zwischen denen und mir ist:
Die werden den, wie sie sagen, nach der Schule abfangen und Nägel mit Köpfen machen.

Habe ihnen gesagt, sie sollen mir den mal zeigen. Ich hatte ja eigentlich gehofft, mit Hilfe des Typens von letztens hier vielleicht ein bisschen AgitProp betreiben zu können, aber wenn die Gangster nun die "millionenstarken Bataillone der antifaschistischen Armee" darstellen, ist mir das auch recht.
Mir ist natürlich völlig klar, dass das emanzipatorische Potential dieses Haufens reichlich beschränkt sein dürfte, aber ich bin ja schon glücklich wenn die nicht mich verprügeln.

Und wenn es stattdessen Nazis trifft - um so besser!

Montag, 19. November 2007

Tag 15

Praxisgebühr > hier alle anstecken

Und so sitze ich nun, trotz solch einer Winterkrankheit, hier und vetrödele meine Zeit.
Werde gleich eine Bewerbung fertig machen und dann damit argumentieren, dass ich ja ewig mit dem Bus brauche um die zum Betrieb zu bringen, damit ich nach Hause gehen kann. Jetzt gilt es nur noch den richtigen Zeitpunkt abzupassen, damit es sich nicht mehr lohnt nach Ablieferung wieder hierhin kommen.


Letzte Woche stellte sich heraus, dass ein Mädchen, hier aus meiner Gruppe, direkt um die Ecke von dort wohnt, von wo ich fast jeden Morgen, mit einem bis auf mich leeren Auto, losfahre.
Habe nun also versucht, ihr anzubieten, dass ich sie mitnehmen könne auf dem Hinweg.
Sie hat mich wohl nicht ganz verstanden, denn in der Pause darauf stand dann auf einmal so ein Typ vor mir und wollte wissen, was das denn solle, dass ich versuche sie abzuschleppen.
Aber ich solle mir keine Sorgen machen, schliesslich sei sie ja eine "sexgierige Schlampe" und ich soll sie am besten auf dem Rücksitz nehmen.

Ich biete hier niemandem mehr irgendetwas an.

Freitag, 16. November 2007

Tag 14

Mein kompletter Stundenplan war heute falsch.
Wurde also erst einmal reichlich durch die Gegend geschickt, bis sich dann herauskristallisierte, dass ich zum anderen Gebäude muss. Die einzige Konstante in meinem Plan war heute die Stunde "Politik" am Ende.
Welche jedoch leider der Besprechung des "Scherzfragen-Einstellungstests" zum Opfer fiel.
Einige Fragen waren wirklich dämlich und langweilig, aber einige waren auch richtig gut und ein paar hatte ich sogar falsch oder unbeantwortet. Zeitvorgabe: 60 Minuten. Versuchts mal:
1. Womit fängt der Tag an und hört die Nacht auf?
2. Es kommt nur einmal in der Minute, zweimal im Moment, aber keinmal im Jahr vor. Was ist das?
3. Lirum, Larum, Löffelstiel, wie schreibt man das mit drei Buchstaben?
4. Wo wächst der beste Wein?
5. Eine Taube frisst eher 1kg Weizen als ein Pferd. Richtig?
6. Was steht hinter dem Kölner Dom?
7. Woher kommt eine Ente, die in Duisburg im Rhein schwimmt?
8. Was macht ein Glaser, wenn er kein Glas hat?
9. Wer es macht, der verrät es nicht, wer es nimmt, der kennt es nicht, wer es kennt, der nimmt es nicht. Was ist das?
10. Welche Fragen können sinnvollerweise niemals mit ja beantwortet werden?
11. Wie können sie Wasser in einem Sieb transportieren?
12. Wenn es Flüssigkeit zu sich genommen hat, ist dieses klar zu identifizieren. Was ist es?
13. Was setzt ein Gärtner als erstes im Frühjahr in seinen Garten?
14. Wo kommt die Hochzeit vor der Verlobung?
15. Wie viele Butterbrote kann ein zwölfjähriges Kind auf nüchternen Magen essen?
16. Hat ein Nachtwächter, der am Tag stirbt, einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente?
17. In welchem Monat wird fast immer das heu gemäht?
18. Was ist bei einer Maus groß und bei einem Kamel klein?
19. Welche Sportler müssen unbedingt mit 18 Jahren noch wachsen?
20. Welcher Mann hat Angst vor der Sonne?
21. Wie kann man mit blauer Tinte rot schreiben?
22. Was steht mitten im Feuer, verbrennt aber nicht?
23. Was will jeder werden und doch keiner sein?
24. Wer freut sich, wenn er brotlos wird?
25. Wann kann ein Japaner „Guten Morgen“ sagen?
26. Welches Tier kann höher springen, as ein Einfamilienhaus?
27. Was steht mitten in Paris?
28.Es wiegt nichts und kann mit bloßem Auge erkannt werden. Außerdem kann dadurch ein Fass geleert werden. Worum handelt es sich?
29. Welcher Mensch hat alle zehn Gebote gehalten?
30. Zeichnen sie ein Quadrat mit drei Strichen!
31. Welches Wort wird immer falsch geschrieben?
32. Wie viele Tiere jeder Art nahm Moses mit an Bord der Arche?
33. Kann eine Frau, die in Bottrop lebt in Essen beerdigt werden?
34. In welche Fässer sollten keine Getränke nachgefüllt werden?
35. Was kann eine Reiterin daran hindern auf einem Pferd zu sitzen
36. Wer bestellt im Restaurant den Ober?
37. Wer hat Hühneraugen am Kopf?
38. Nennen sie ein eisenhaltiges Abführmittel!
39. Wo führen Flüsse kein Wasser?
40. Ist in Trier schon mal ein großer Mann geboren worden`?
41. Warum kann es nie zwei Tage hintereinander schneien?
42. Welches Tier sieht dem Wolf am ähnlichsten?
43. Mit welcher Kanone kann nicht geschossen werden?
44. Welcher Bus hat den Ozean überquert?
45. Was kann mit Worten nicht ausgedrückt werden?
46. Welche Frage kann sinnvollerweise nicht mit nein beantwortet werden?
47. Mit welcher Hand rühren Chinesen den Zucker im Tee um?
48. Aus wie vielen Buchstaben besteht eine Rasierklinge?
49. Welches dreisilbige Wort umfasst alle 26 Buchstaben?
50. Wer weiß am genauesten was den Menschen fehlt?
51. In einer Disco kam es zu einer Schlägerei. Ein Beteiligter schilderte dem Polizeibeamten den Hergang: „Ja, wir saßen gleich rechts, an dem kleinen dreibeinigen Tisch. Plötzlich entstand ein heftiger Wortwechsel. Ich bückte ich, um mit einem Bierdeckel den wackelnden Tisch gerade auszurichten, da bekam ich mit einer Flasche einen Schlag auf den Kopf.“ Handelt es sich um eine Lüge?
52. Womit beginnt jeder Arbeit?
53. Welche Vögel, die aus Eiern schlüpfen, legen selbst keine?
54. Am Essener Hauptbahnhof stehen am Taxistand zwölf Taxen. Drei werden von Kunden gerufen. Wie viele bleiben stehen?
55. In welcher Behausung wird auch bei bitterster Kälte normalerweise nicht geheizt?
56. Welche Tiergattung gab es nicht in der Arche Noah?
57. Was befindet sich zwischen Himmel und Erde?
58. Derjenige, der ihn herstellt, möchte ihn schnell wieder loswerden. Derjenige, der viel Geld für ihn ausgibt, braucht ihn selbst nicht. Der, für den er bestimmt ist, sieht ihn nie. Was ist es?
59. Archäologen haben eine Münze mit der Prägung 84 v. Chr. Gefunden. Kann das stimmen? Begründung!
60. In vielen – auch älteren Bauwerken – können nicht nur Experten durch Wände sehen. Um welche Erfindung handelt es sich dabei?

Donnerstag, 15. November 2007

Tag 13

Heute habe ich das erste Mal Berufsschule.
Andererseits habe ich heute auch einen Krankenhaustermin.
Endlich mal wieder ausschlafen tat gut.

Mittwoch, 14. November 2007

Tag 12

Heute ist mein "Stammtag".
Habe also einen anderen Stundenplan bekommen als sonst und habe heute nur Wirtschaftskram.
Der erste Block war ganz okay. Anfangs dachte ich ja, ich würde nichts verstehen, da ich noch nie im Leben "Rechnungswesen" hatte, aber wenn mensch einmal Monopoly gespielt hat, ist der Dreh schnell raus.
Jetzt sitzen wir hier in "Bürowirtschaft" an den Rechnern und sollen eine "eigene Lernbürofirma" gründen.

Viel interessanter ist jedoch, dass der Mensch am Rechner vor mir die ganze Zeit auf Red Stuff und Indymedia rumsurft.
Als ich ihn grad angesprochen habe, reagierte er ziemlich reserviert und nervös. Naja, aber das würde ich auch, wenn ich hier mit einem "No Thor Steinar"-Button rumrennen würde.

Okay er ist tough:
Wie es scheint stellt er just seinen Katalog für seine "eigene Lernbürofirma" zusammen und erstellt dazu ein Sortiment aus den ganzen Antifa-Shirts vom Red Stuff-Versand.
Bin ja mal auf seine Präsentation gespannt.


Ein Wort zur hiesigen Toilettensituation.
Wer hier ein Bedürfnis verspürt, muss sich erst demütig in eine Liste im Sekretariat eintragen, bekommt dann den Schlüssel und darf dann erst zur Toilette.
Bedingt durch diese Regelung kommt es dazu, dass es immer eine gewisse Zahl "ToilettenschnorrerInnen" gibt. Also Menschen, die sich nicht selber den Schlüssel holen, sondern lieber im Flur vor den Toiletten lauern und geschwind durch die Tür schlüpfen, wenn jemand anders sie öffnet.

Ich freute mich in der heutigen Pause, da anscheinend niemand wartete und ich meine Ruhe hätte. Kaum benutzte ich eines der Pissoirs stürmte jemand herein und ging in eine der Kabinen. Als ich mich umdrehte stellte ich jedoch erschrocken fest, dass er die Tür zum Flur offengelassen hatte. Gerade ausserhalb meiner Reichweite versuchte ich nun möglichst unauffällig das Pissoir zu benutzen. Was einigermaßen schwierig ist, wenn gerade alle Schülerinnen und Schüler über diesen Flur, an dieser Tür vorbei, in ihre Pause gehen.
Mistkerl.
Leider hatte ich nicht den Schneid, ihn dann in der Toilette einzuschliessen, sondern liess den Schlüssel am Waschbecken liegen.

Dienstag, 13. November 2007

Tag 11

Mein Stundenplan für Heute sieht aus wie folgt:
-EDV- Grundlagen
-MS-Word
-Mathematik
-Deutsch
-WiSo
Im Moment sind wir im zweiten Block bei "MS-Word".
Es steht also noch eine Menge an. Jedoch denke ich, dass die Unterrichtsinhalte von "EDV-Grundlagen" und "MS-Word" für sich genommen schon eine Mitteilung wert sind.

Ich stelle die Inhalte der ersten beiden Blöcke hier einfach einmal unkommentiert in den Raum.

EDV-Grundlagen
(Wir sollten es einfach abschreiben.)

MS-Word

Jeweils 90 Minuten Zeit.


Übrigens habe ich gerade eigentlich Mathematik.
Nachdem ich versucht habe den auf meinem Stundenplan verzeichneten Raum Nummer 20 zu finden, wobei ich einmal durch die komplette Innenstadt geschickt wurde, dort nur Raum Nummer 2 fand, also wieder zurück, die dortigen Räume jedoch bei Nummer 14 endeten und sich dann erst herausstellte, dass Nummer 2 doch richtig ist, entschied die Klasse sich für das Angebot des Lehrers zu entscheiden und auf "Stellenakquise" zu gehen.
Bedeutet im Klartext, der Lehrer hat keine Lust auf seinen Job, schickt den Kurs los sich Praktikumsplätze suchen, betont ausdrücklich, dass eine schriftliche Bestätigung dieser Suche unnötig ist und alle gehen nach Hause.
Ich habe mich wohl irgendwie unbeliebt gemacht, als ich lauthals dafür eintrat, die andere Option zu wählen. Das wäre nämlich statt Mathematik "aktuelle Themen" gewesen.
Er wollte mit uns über Datenschutz reden.
Der Rest des Kurses zog jedoch Kaffeetrinken vor.

Ich hab mich dann, als alle anderen aus dem Raum waren, aus dem Fenster gelehnt und dem Lehrer einen zum Thema passenden Flyer gegeben.
Hab dann aber auch zugesehen, dass ich aus dem Raum komme, bevor er es sich genauer anguckt.

So. Gleich noch Deutsch und WiSo.


Der Rest des Tages war super.
In Deutsch haben wir den Song "In Germany Before The War" von Randy Newman übersetzt und besprochen (Handelt weder von germany oder dem war, sondern von dem hier.). War insgesamt recht interessant. Spannender war jedoch die Diskussion über Electropunk, die ich mit dem Aufseher führte.

Danach in WiSo kam es aber noch besser.
Der Wärter als solcher sah schon grossartig aus: Wirre Haare, wirrer Bart.
Auf die Frage, ob er nicht schon am Anfang der Stunde auf unseren Laufzetteln abzeichnen könne, dass wir anwesend waren, antwortete er erstmal mit:

"Mein Freund Lenin, der hat gesagt 'Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.'"

Danach fing er an über Lenin und Stalin zu sinnieren und als ich dann, ich sitze meist ziemlich nah an der Tür, was in diesem Raum direkt neben dem Lehrertisch bedeutete, den Deckel meines Buches hob, wurde er sentimental:

"Ach war das spannend... damals: angelinkst, studiert und dann Marx gelesen... und ich sag auch heute noch und da steh ich auch immernoch zu, dass das die treffendste Analyse unserer heutigen Welt ist, die es gibt. Aber das darfste ja nicht sagen. Das ist ja politischer Sprengstoff. Weil lesen alleine reicht ja nicht, das muss ja auch umgesetzt werden!"

Grossartig.



Montag, 12. November 2007

Tag 10

Heute das erste Mal wieder im Bildungszentrum.
Habe mit meiner Bildungsbegleiterin gesprochen wegen des Praktikums. Sie hält es auch für recht unsinnig, dort hinzugehen.
Hat mich dann auch direkt einmal quer durch die Stadt geschickt, ich solle einfach mal bei einer Druckerei fragen, ob die mich als Praktikanten nehmen würden.
Einfach mal.

Ich Loser hab mich natürlich nicht getraut, da so unvorbereitet reinzugehen.

Das ist so ein grundsätzliches Problem bei mir. Ich muss mir die Dinge immer erst zurechtlegen und mich gedanklich damit anfreunden.
Es funktioniert bei mir auch nicht, mir einfach zu sagen, meine Haare sähen scheisse aus, hier seien 20 Euro und ich solle zum Friseur gehen.
Ich muss das erst einmal verdauen. Dann muss ich mir zurechtlegen zu welchem Friseur ich gehe, muss vorgesagt bekommen, was ich dann antworten soll auf die Frage wie ich es denn gern hätte und dann mir einen Termin, einige Tage in der Zukunft, aussuchen an welchem es zum Haarschnitt kommen soll.
Wenn es sich aber nun ereignet, wie es sich zum Beispiel dieses Wochenende ereignete, nämlich, dass der Laden dann einfach, trotz meiner sorgfältigen Planung, geschlossen ist, so wirft mich dies frisurlich dann auch schonmal einige Wochen zurück.
Kurzgefasst: Meine Haare sehen scheisse aus und ich bin zu feige um unvorbereitet mit Menschen zu reden.
Perfekte Ausgangsbasis also, um sich auf den Ausbildungsmarkt zu werfen.
Bin mit eingekniffenem Schwanz wieder zurück zum Bildungszentrum und hab einfach gesagt, die nähmen PraktikantInnen und ich solle doch mal eine Bewerbung fertig machen.
Und hier sitze ich nun.

Es wirkt sich übrigens unglaublich negativ auf die Arbeitsmoral aus, wenn mensch hier mit einem Haufen Gestrandeter auf den Fluren rumlungert und im Vorbeigehen Gesprächsfetzen der "BildungsbegleiterInnen" aufschnappt, die dann lauten wie:
"...das wäre dann wohl natürliche Auslese, sag ich mal."
Keine Ahnung worum es ging, aber es könnte auch das Motto dieses "Bildungszentrums" sein.

Noch fünfeinhalb Stunden...

Ich glaub morgen komme ich nicht. Zwei Idioten auf dem Flur:
"Wie geil das wär einfach mal ne Handgranate in das Ding [Er meinte den Lichthof. - Anm.d.Red.] zu schmeissen! Booooooooom! Und alle Scheiben im Arsch!"
"Scheiben im Arsch? Was soll ich denn mit "Scheiben im Arsch"? Wenn dann entführ ich ne richtig dicke Boeing und mach das ganze Ding [Er meinte das komplette Gebäude. - Anm.d.Red.] platt!"

So. Dank meiner messerscharfen Logik, blieb ihnen nichts übrig, als mich eher gehen zu lassen, da ich neue Bewerbungsphotos brauche. Aber Bewerbungsphotos gehen ja nicht ohne Frisur. Also habe ich jetzt den offiziellen Auftrag mich in meiner Arbeitszeit coiffieren zu lassen.
Blöd nur, dass ich gezwungen bin da auch tatsächlich hinzugehen.
So ganz ohne Vorbereitung und so.

Freitag, 9. November 2007

Tag 9

Die Praktikumsprobewoche wäre überstanden.
So schlimm, wie ich es dargestellt habe, war es meist tatsächlich gar nicht.
Blöd nur, dass die Chefin recht klar gemacht hat, dass sie mich nur für die Dauer des "Einstiegsqualifizierungsjahres" dort als Praktikant beschäftigen will, ohne die Aussicht, mich danach in eine Ausbildung zu übernehmen.
Ich werde das mal mit meiner Bildungsbegleiterin durchsprechen, denke jedoch nicht, dass es viel Sinn macht dort ein Jahr zu ackern, nur um dann am Ende wieder von vorn anfangen zu können in Sachen Ausbildungsplatzsuche.
Schade eigentlich, denn insgesamt hat es mir dort sogar ein bisschen gefallen.

Mein einziger Freund im Praktikum ist übrigens gestorben.
Ich habe ihm gedankenverloren ein Loch in den Rücken gebissen, woraufhin, sehr theatralisch, sein ganzes Inneres auf den Tisch rieselte.
Habe ihn dann klammheimlich in eine Ecke gesetzt, mit dem Rücken zum Aktenordner.
Es tut mir leid.

Donnerstag, 8. November 2007

Tag 8

Wenn ich das, was ich heute alles gearbeitet habe, konzentriert hinternanderweg gemacht hätte, wäre ich nach einer Stunde fertig gewesen.
Hab ich aber nicht. Stattdessen hab ich nur Unfug gemacht. Entweder gelesen und dazu alibihalber immer in unregelmässigen Abständen irgendwohin geklickt, wo nichts passiert, um beschäftigt zu wirken, oder so Sachen rausgesucht, wie den kürzesten Weg zur nächsten Augenklinik (43,94 km), für den Fall, dass der Todeslaser da aus seinem Kasten rauskommt.
Womit wir auch beim Thema wären:
Denn was gestern noch in weiter Ferne schien, rückte heute in gefährliche Nähe, denn ich weiss nun in Grundzügen, wie dieser Apparat aus der Weltraumtechnik funktioniert, den ihr als DEN LASER kennt! Bald gehts rund.

Aber es ist ja nicht so, dass ich heute nichts gelernt hätte! Im Gegenteil, ich habe heute etwas gelernt, was wohl allen Menschen die in Büros oder Geschäften arbeiten zum Handwerkszeug gehört:

Die hohe Kunst des zerstückelten Gesprächs

Wem das nichts sagt, der Trick in Der hohen Kunst des zerstückelten Gesprächs ist es, nachdem sich die Tür hinter dem/der Kunden/Kundin wieder geschlossen hat, die vorherige Unterhaltung ohne jede Ein- oder Überleitung wieder an exakt der richtigen Stelle aufzunehmen. Und das teilweise nach fünf- bis zehnminütigen Unterbrechungen.
Und ausserdem lag es ja nicht an mir, das ich nichts gemacht hab heute. War ja nun nicht so, dass sich die Arbeit stapelte als ich heimlich Trivialliteratur vom USB-Stick las: Es war halt einfach nix zu tun.

Unschön wurde der Tag allerdings, als die Chefin dann so Sprüche raushaute wie

"Also Ossis und Polen, die hasse ich ja! Kommen alle hier rüber und nehmen uns die Arbeitsplätze weg und saugen sich mit unserem Arbeitslosengeld voll! Ich sach ma, ne, watt nen richtiger Pole ist, der bleibt auch in Polen!"

Tja da kannste dann erstmal nicht viel zu sagen, was sich damit vereinbaren lässt, auch morgen noch zur Arbeit zu kommen. Zum Glück hielt dann die Chefinstochter dagegen und ich konnte mich ein wenig zurücknehmen.
Die kann sie ja nicht feuern.

Mittwoch, 7. November 2007

Tag 7

Habe heute zum ersten Mal wirklich etwas gemacht!
Sollte nämlich nach einer aus dem Netz geklauten Vorlage, Vektorgrafiken für den Todeslaser erstellen, welcher die dann aus Holz ausschneidet. Tödliches Gerät!

Betet, ihr, die ihr da draussen seid, betet, dass ich nie lerne ihn zu benutzen, den Todeslaser!*

Ich bin mir sicher, die Person, die diese Vorlagen gemacht hat, hat noch NIE im Leben ein Rentier gesehen. Ich hab die ganze Zeit nur geflucht beim Nachzeichnen.

Ansonsten war nicht viel los. Lediglich eine Ladung weisser Hemden für irgendeine Security-Firma sollte ich dann unter Anleitung bedrucken. Blöd nur, dass das der letzte Ramsch vom Fabrikverkauf war. Die eine Hälfte hat jeweils 8€ gekostet und bekam dann in der Presse richtig schlimme Flecken. Da war die Presse allerdings wirklich nicht dran schuld. Vielmehr das im Kragen unverrückbar eingenähte Plastikzeug.
Noch besser war jedoch die andere Hälfte der Hemden. Die gabs nämlich schon für 4,50€ und da glich kein Einziges dem Anderen:
Mal hatte der Stoff ein Muster, mal nicht. Mal waren völlig planlos insgesamt 9 Nadeln im Hemd versteckt, mal keine Einzige. Mal Knöpfe am Kragen, mal keine, und so weiter.
Und die waren alle aus der gleichen Charge.
Na gut, aber da die alle zwischen XL und XXL waren ist es wohl auch egal.
Ich stelle mich ja nicht vor einen XXL-Security und sag dem, dass sein Hemd scheisse ist.

Irgendwo nimmt mich der ganze Arbeitsstress total mit.
Ist ja nicht nur so, dass ich keine einzige freie Minute mehr habe, da ich ständig unterwegs bin und erst gegen 22 Uhr zur Ruhe komme. Nein, anscheinend macht mich Lohnarbeit wirklich nervlich fertig.
Ich bin über die Maßen schreckhaft geworden. Jedes mal wenn die Türklingel ihr, nichtmal disharmonisches, Ding-Dong abspult, wenn jemand die Tür öffnet (Oder anleuchtet. Keine Ahnung warum.), zucke ich zusammen. Das allein wäre ja noch erträglich, aber in einer Zangenbewegung wurde ich von Türklingel und vor mir stehendem Telephon eingekreist. Als wäre das nicht genug, hat mir meine Chefin heuer den Todesstoß versetzt, als sie mir im Vorbeigehen, als ich grad vor mich hinfluchend am Rechner saß, auf die Schulter geklopft hat.

Ich wär beinah vom Stuhl gefallen.



*Ich will wirklich in keinster Weise geschmacklos erscheinen, oder mich, über die jüngsten Ereignisse in Finnland heute, lustig machen.
Mit fiel nur gerade ein, dass der obige Satz auch missverstanden werden könnte. Und nachher heisst es dann, ich sei ja immer so ein ruhier und freundlicher Mensch gewesen und das hätte ja keineR kommen sehen, aber die Polizei hätte nun herausgefunden, dass ich im Internet davon phantasiert hätte, mit einem solchen Gerät Böses zu tun. Abgesehen davon, dass es dauern würde, eine medienrelevante Anzahl Menschen dazu zu bringen, nacheinander ihre lebenswichtigen Körperteile da reinzuhalten, da das Ding zu klein ist um ganz reinzuklettern und zu unhandlich um es sich irr vor die Brust zu schnallen und duch die Gegend zu rennen, möchte ich nun einmal völlig klarstellen, dass mir nichts ferner liegt, als aus diesem Büroutensil einen Todesstern zu bauen.

Dienstag, 6. November 2007

Tag 6

Ich habe einen neuen Freund gefunden.
Was auf den ersten Blick wirkt, wie die kondomgewordene, rassistische Karikatur eines Chinesen, entpuppte sich im Laufe des Vormittages als getreuer Gefährte. Mit einigen Handgriffen verlor er auch seinen rassistischen Charakter* zu Gunsten eines Iros.
Nachdem ich völlig ohne Sinn und Nutzen eine Banane vektorisiert hatte, um mich in Corel einzuarbeiten, verbrachte ich den Rest des Arbeitstages damit, heimlich PDFs von meinem USB-Stick zu lesen.

Jetzt steht fest: Ich brauche das hier!

Heute habe ich bemerkt, dass ich auf dem Heimweg an einem Hinweisschild vorbeifahre, auf dem "Freiheit" steht, mit Pfeil in meine Fahrtrichtung. Super.
Aber da ja die sogenannte "Freizeit", in welche ich grad unterwegs war, eben keine "freie Zeit" ist, sondern lediglich der Regeneration der Arbeitskraft dient:
"Im spätindustriellen Zeitalter bleibt den Massen nichts als der Zwang, sich zu zerstreuen und zu erholen, als ein Teil der Notwendigkeit, die Arbeitskraft wiederherzustellen, die sie in dem entfremdeten Arbeitsprozeß verausgabten. Das allein ist die 'Massenbasis' der Massenkultur."**,

trennten wir uns dann, und ich fuhr auf dem Weg in meinen Feierabend linkerhand an der "Freiheit" vorbei. Schon ziemlich zynisch wie Leben und Strassenverkehrsamt einer/einem manchmal mitspielen.

Zum Abschluss sei hier noch zitiert, was ich beim Durchschalten in der SMS-Lauftext-Box bei VIVA sah während Avril Lavigne lief:

"in mir siehts aus wie berlin 45"

Grossartig.



*
Ist vielleicht etwas schlecht zu erkennen (superspionmässiges Handyphoto), aber er hat einen runden Kopf, ist gelb, hat einen schwarzen Pottschnitt und grinst... Ach und für die, die das Ding auf dem Photo nicht erkannt haben: es ist ein Knautschball. Ein mehlgefüllter Luftballon.
**Es ist wahrscheinlich etwas prollig, auf ein Buch zu verlinken, dass ich nicht gelesen habe und wenn, nicht verstanden hätte, aber ich wollte halt intellektuell wirken.

Montag, 5. November 2007

Tag 5

Heute war gar nicht so schlimm.
War der erste Praktikums-Probearbeitstag heute. Gut, der Betrieb ist im allerletzten Dorf und ich darf jetzt jeden Tag ziemlich genau 70 Kilometer fahren, aber der erste Eindruck beim Vorstellungsgespräch letzte Woche war defintiv schlechter als die Realität heute.

Obwohl ich vom Wochenende noch sehr angeschlagen war, hab ich es geschafft pünktlich zu kommen. Hab diesmal aber auch nicht auf Map24 gehört, da ich beim letzten Mal stellenweise durch den tiefsten Wald gelotst wurde und etwa eine dreiviertel Stunde gebraucht habe um in diesem 17175-Seelen-Dorf die richtige Hausnummer zu finden.
Vor Ort war dann auch niemand ausser der Auszubildenden, die jetzt wohl mein Supervisor ist.
Ihr Name wurde mir zwar schon letzte Woche gesagt, jedoch habe ich ihn komplett vergessen. War ja auch nicht wichtig.
Sehr entspannend fand ich, dass die Chefin, welche beim letzten Mal einen sehr negativen Eindruck (Ketterauchen, Gammelstrickjacke) hinterlassen hat, nicht da war. So konnte ich dann im Laufe des Vormittages meine Meinung zu solch weltbewegenden Themen kundtun, wie Trash-Splatterfilmen, welche Sorte Kinder ich am wenigsten mag (die die immer sofort heulen wenn was ist) und was ich von weissen Ledersofas halte (Porno!).
Da ich dabei 240 Seiten eines Kindergarten von Hand kopieren musste, da der Einzug am Kopierer kaputt war, hatte ich auch genügend Zeit und Muße, meine Ergüsse auszuformulieren.
Die gute Frau, die uns den Kram vorbeibrachte hat ungefähr fünfmal betont, dass die Seiten "auf gar keinen Fall durcheinander" geraten dürfen.
Danach hat sie nochmal angerufen, um das nochmal zu bekräftigen.
Und auch wenn sie sich bei nächster Gelegenheit bei meiner Chefin beschwert und auch wenn das heute der erste Tag meiner Probewoche war, aber zusehen wie ihr jegliche Gesichtszüge entgleisen als sie fragte "Sind die auch alle noch geordnet?" und ich mit "Oh mein Gott! Nein! Die sollten jetzt nicht echt geordnet sein, oder?" antwortete, war es wert.
Da sie so oft betont hatte die Ordnung sei ja so immens wichtig hab ich ihr auch die komplett leeren Blätter kopiert die ihr wohl dazwischen gerutscht waren. Da soll mir nochmal eineR sagen, ich mache meinen Job nicht ordentlich!
Nachdem ich dann etwa 2 Kilometer in jeweils 2-Schritte-vom-Kopierer-zum-Tisch-und-wieder-zurück-Portionen abgespult hatte, durfte ich DEN PRAKTIKANTiNNENSCHRECK! in Angriff nehmen.
DER PRAKTIKANTiNNENSCHRECK! war eine unglaublich hässliche Vorlage eines mit Bierfässern beladenen Pferdegespanns aus lilaner Plotterfolie ausfummeln.
Habs ziemlich gut hinbekommen, wie ich finde.
Die halbstündige Mittagspause hab ich erstmal auf eine Stunde gedehnt.
Vielmehr gabs dann auch heute nicht zu tun.
Das schlimmste heute war tatsächlich, dass die Auszubildende jede Frage mit "Ooh-kei!" beantwortete.
So gesehen also ein ganz ruhiger Tag.

Sonntag, 4. November 2007

Tag 4

Endlich komme ich dazu, vom Freitag zu berichten.

Der Tag fing schon irgendwie abgefahren an:
Auf dem Weg zur Schule im Bus sitzend, hielt dieser auf einmal an. Als ich aus dem Fenster sah, sah ich nur Rauch und kapierte erstmal gar nicht wo der denn herkam. Der Fahrer öffnete die Tür um von einem völlig unaufgeregten Menschen gefragt zu werden, ob er denn einen Feuerlöscher hätte. Beide gingen dann zur Quelle des Qualmes, welche nicht, wie ich dachte, irgendwas mit dem Reifen zu tun hatte, sondern das Auto des relaxten Typen war. Die beiden Genies öffneten also die Tür des Wagens und sofort schlugen ihnen meterlange Flammen aus dem Innenraum entgegen. Kam richtiges Paris-feeling auf. Nachdem der Feuerlöscher irgendwohin entleert wurde, ohne grossartig Eindruck zu machen, fuhren wir einfach weiter. Allerdings war die Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt auch schon am einrücken.

Ging dann auch ähnlich absurd weiter.
In meiner Klasse sitze ein Idiot, der es lustig findet die ganze Zeit im Unterricht meinen Namen zu brüllen. Ohne jeglichen Grund geht das die ganze Zeit so:
"Raaaaaaalf! Hey! Raaaaaaaalf! Raaaalf Naaaseee!"
Irgendwann sollte ich dann etwas vortragen und kaum dass ich angefangen hatte blökte er schon dazwischen:
"Ey! Lauter!"
Da hatte ich dann keine Lust mehr. Bin aufgestanden, hab noch einen Stuhl geholt und direkt neben meinen gestellt und ihm gesagt, dass es mir nun reiche und er solle jetzt aufstehen und sich neben mich setzen. Die ganze Klasse hat ihn dann ausgelacht und ihm war das ganze offensichtlich peinlich. Die Wärterin unterstützte mein Vorhaben zwar, jedoch jammerte er etwa drei Minuten rum ("Ich bin doch nich schwul ey und geh dahin!") und dann wars auch gut und er blieb wo er war. Dafür war es dann allerdings während ich danach redete zum ersten Mal seit ich in diesem Zirkus gelandet bin tatsächlich ruhig.
Als die Wärterin zwischendurch den Raum verliess machte dieser Idiot - ich weiss seinen Namen nicht, jedoch könnte er von seinem ganzen Auftreten und way-of-life her auch Cedric-Kevin heissen, weswegen ich ihn im Folgenden auch so nennen werde - Cedric-Kevin machte nun also sein Handy an und spielte einen irrsinnig lauten und hohen Ton ab. Ich hatte noch am Abend beim Partymachen Ohrenschmerzen auf einer Seite davon.
Als dann irgendwann auch noch aus seiner Ecke ein durch den Raum gebrülltes
"Ey du Jude!"
kam, dachte ich mir schon, dass der Rest des Tages eventuell noch unangenehm werden könnte.

In der Hausordnung gibt es einen ziemlich zentralen Punkt, der da lautet, "Das Mitbringen von Waffen ist verboten.".
Das klingt zwar nicht unbedingt nach Gummiparagraphen, jedoch halte ich es für unumgänglich mit den üblichen Massnahmen dort aufzukreuzen - allein schon, weil ich ja vorher zum Bahnhof muss und keine Lust habe zwischen minderjährigen Islamistengangs, Naziprolls und Nazijunkies (Ja, das sind zwei verschiedene Fraktionen an unserem Bahnhof.) ohne diverse Sachen zu stehen. Da ich nun ohnehin schon genervt und angespannt war, dachte ich, ich packe lieber etwas vom Rucksack in die Innentasche meiner Jacke.

Mein Bauchgefühl wurde dann in Geschichte bestätigt.
Aufgabe war es, in eine Karte Europas mit Hilfe eines Atlanten die Länder- und Hauptstädtenamen einzutragen.
Als Cedric-Kevin dann bei Deutschland war, kam es wie es kommen musste:

"Deutschland, Deutschland über a-a-lles..."


Da wars mir dann genug: Aufgestanden, Hand an die Innentasche, andere Hand in die Aussentasche, zu ihm hingegangen und ihn angeschrien, dass es jetzt genug sei und er jetzt sofort aufstehen und rausgehen solle, damit wir das klären können.
Er war völlig entsetzt, weil er gar nicht kapierte, warum ich mich so aufretge und er das einfach nicht erwartet hatte. Der Lehrer ging dann ziemlich zögerlich dazwischen und versuchte Cedric-Kevin zu erklären, dass sowas nunmal zu erwarten sei, wenn er Nazihymmnen singt. Da Cedric-Kevin jedoch immernoch nicht kapieren wollte worums geht, bot ich dem Wärter an, mit Cedric-Kevin in den Aufenthaltsraum zu gehen und ihm das zu erklären. Der Wärter tat sich sichtlich schwer mit der Entscheidung und wollte mehrmals von mir wissen, ob ich ihm denn versichern könne, dass da "jetzt nix passieren wird".
Hab mir also den Idioten im Aufenthaltsraum auf einen Stuhl gesetzt und angefangen ihm das zu erklären.
Da es meiner Erfahrung nach Wenig bringt, in solchen Situationen mit grundsätzlicher Ablehnung des Faschismus und abstrakten Zahlen zu argumentieren, tischte ich Cedric-Kevin auf, mein Opa sei von den Nazis in Sachsenhausen ermordet worden. Was zwar gelogen, aber zweckmässig ist. Das reichte dann auch ziemlich schnell, um ihn zur Einsicht zu bewegen, sich zu entschuldigen und mir zu versichern ich hätte nicht überreagiert als ich ihm Schläge androhte.
Das Cedric-Kevin kein Nazi ist, war mir klar und das habe ich ihm auch gesagt.
Er ist halt nur ein Idiot. Das habe ich ihm auch gesagt.

Zwischendurch steckte dann der Lehrer vorsichtig seinen Kopf um die Ecke und wollte nachsehen ob mit Cedric-Kevin noch alles in Ordnung sei.
Kurz darauf, kam der Chef meiner Gang in den Raum und baute sich in der Tür auf:
"Ey Ralf! Alles in Ordnung bei dir?"
Als wir dann wieder im Klassenraum waren, wurde Cedric-Kevin von den nicht-deutschen Mitschülern erstmal lautstark empfangen und beschimpft. Allerdings schienen sie jedoch nicht so ganz kapiert zu haben, worum es ging:
"Ey bist du kein Deutscher?"
"Äh... ich bin in Deutschland geboren."
"Und woher kommen deine Eltern?"
"Die sind auch hier geboren."
"Ey also bist du doch Deutscher! Was regst du dich dann so auf?"
"Ja aber ich bin doch kein Nazi..."
"Ah... achsoo...
[dreht sich zu Cedric-Kevin] Ey du scheiss Nazi! Der hätte dir ein auf die Fresse haun sollen!"

Tja, ob das nun insgesamt als Erfolg zu verbuchen ist, ist fraglich.
Schliesslich wurde ich danach in der Klasse nicht deswegen abgefeiert, weil ich es nicht habe durchgehen lassen, dass da Naziparolen verbreitet werden, sondern weil ich bisher in diesem Kurs die grösste Gewaltbereitschaft gezeigt habe.
Also von der Aussenwirkung her wohl doch nicht so emanzipatorisch.
Aber dafür finden die mich jetzt alle - bis auf Cedric-Kevin - cool...
Ich hoffe nur, das nächste Woche da keineR auf die Idee kommt jemanden abzustechen, sonst bin ich nicht mehr so beliebt...