#4 berufsvorbereitende Bildungsmassnahme: Tag 22

Mittwoch, 28. November 2007

Tag 22

Feige Schweinebande!
Nachdem mein Kontrahent in der Diskussion vom vergangenen Freitag meinen unwiderlegbaren Beweis für meine These, dass jeder Konzern, egal wie gross, will er existieren, nur ein Ziel haben kann, nicht anerkennen wollte, halte ich nun in Händen, was auf ähnlichem Niveau sein sollte, wie seine aus Rankings und Tortendiagrammen zusammengeschusterte, Argumentation:
"Conn spricht aus, was Insidern längst klar ist: Ein Ölkonzern kann gar nicht grün sein. Ähnlich deutliche Worte findet der Mann mit dem messerscharfen Scheitel, wenn er über die Ziele von BP spricht. »Wir sind ein Unternehmen, keine Regierung!« Mit anderen Worten: An erster Stelle steht der Profit. Die Sorge um den Planeten kommt danach. Getan wird, was technisch möglich ist und was sich innerhalb der normalen Investitionszyklen rechnet. Wenn es sich grün verpacken lässt – umso besser."
Und was ist? Dieses Wiesel von einem Lehrer meldet sich krank, um seiner Aufklärung zu entgehen.
Schöne Arbeitsmoral hier.
Aber auf der anderen Seite, SchülerInnen die exakt sieben Minuten zu spät kommen, für einen Samstag zu fünf Stunden Nachsitzen herbeordern.
Schweinesystem, verdammtes!


Ganz schön viele speziesistische Beschimpfungen heute. Nicht gut.


Tja, wurde doch noch recht ereignisreich der Tag.
Bin in "zur besonderen Verfügung" erst einmal knapp an der Abmahnung vorbeigeschrammt.
Wir diskutierten aus irgendeinem Grund über Homophobie im Reggae, als dieses Mädchen da losposaunte:

"Scheiss Schwule! Scheiss Lesben!"

All die Argumente, die nachher kamen - Abmahnung wegen gewalttätigen Verhaltens; "Isch bin Türkin, Alter! Pass ma auf sonst lass ich dich fertig machen!" - fielen mir dann zwar auch nach und nach ein.
Aber da hatte der Kugelschreiber meine Hand ja schon verlassen.
Und als er dann traf, ging das Geschrei erst richtig los.
Kurzum: Der Lehrer war reichlich entrüstet über mein Verhalten und auch meine Argumentation, dass er uns ja noch vor einer Viertelstunde versucht hatte, zu erzählen, dass "verbale Beleidigungen eigentlich viel, viel schlimmer" seien, als körperliche Gewalt und ich mich also nur gewehrt hätte, liess er nicht gelten.
Leider hatte ich nicht genügend Kulis, um all diejenigen mit meinem Zorn zu strafen, die sich danach haltlos in Plattitüden ergingen:

"Das ist halt ihre Meinung..."

"Meinungsfreiheit bla... steht im Grundgesetz!"

"Bei einer Diskussion müssen sich beide Seiten aufeinander zu bewegen..."


Und die einzige Person, die mich sofort rückhaltlos unterstützte, war ausgerechnet, die, die vorher noch stolz erzählt hatte, wie sie bei ihrer freiwilligen Musterung die Fragen "Würden Sie ihre Familie erschiessen?" und "Würden Sie auch ein Kind erschiessen?" bejaht hat.
Grossartig. Bei solchen FreundInnen...

Nach der Diskussion musste ich in der Mittagspause erstmal raus da und mir eine Gesichtsmaske kaufen. Zum Glück hat das keineR von denen gesehen, sonst hätte ich ihre Vorurteile gegenüber Schwulen wohl nur noch bestärkt. Und das obowhl ich die obligatorische Frage:
"Was regst du dich so auf? Bist du schwul?"
Mit "Ist das wichtig?" nicht beantwortet habe. Gut gemacht.

Warum ich nun von der Mittagspause anfange:
Auf dem Weg zum DM lief mir nämlich ein ziemlich langweilig aussehender Typ über den Weg und spielte Musik ab. Allerdings in derart guter Qualität, dass ich mich schon meiner Tiraden gegen Handymusik vom Vortag schämte. Bis ich bemerkte, dass er seinen eingeschalteten Laptop unterm Arm quer durch die Innenstadt trug.
Mein erster Impuls war, ihm das Ding zu klauen.
Nicht um es mir anzueignen, sondern einfach um ihm zu zeigen, dass sowas halt passiert, wenn mensch seinen/ihren Laptop unter den Arm geklemmt durch eine Innenstadt trägt.
Aber selbst wenn es mir gelungen wäre, das Gericht davon zu überzeugen, dass keine Absicht zur Aneignung oder zu Gunsten Dritter vorgelegen hätte, sondern rein pädagogische Gründe: Ich wäre wohl nicht damit durchgekommen.
Ausserdem hatte ich ja gar nichts gegen den armen Outdoor-Nerd.
Aber es gibt so Momente, in denen bestimmte Dinge einfach getan werden müssen.
Und da der Laptop ja in Betrieb war und ich aus eigener Erfahrung weiss, wie wenig Höhenenergie eine laufende Festplatte verträgt, verfiel ich auf Folgendes:
Ich überholte ihn, pendelte etwas nach Rechts, holte mein Handy aus der Tasche, tat als würde ich es sehr intensiv bedienen und machte einen linksseitigen Ausfall in Richtung eines Ladeneinganges als er auf meiner Höhe war.
Zum Glück ging mein Plan nicht auf und er konnte sein Gerät festhalten als ich ihn anrempelte.
Im Nachinnein tut es mir wirklich leid und ich bin sehr froh, dass es nicht geklappt hat.

Aber wie gesagt:
Manche Sachen müssen einfach getan werden.
Und meistens bleibt es anscheinend an mir hängen.
Ich bin auch immer der, der die Handabrücke neben die "Achtung! Frisch gestrichen!"-Schilder in die Farbe macht.
EineR muss es ja tun.

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