#4 berufsvorbereitende Bildungsmassnahme: Tag 4

Sonntag, 4. November 2007

Tag 4

Endlich komme ich dazu, vom Freitag zu berichten.

Der Tag fing schon irgendwie abgefahren an:
Auf dem Weg zur Schule im Bus sitzend, hielt dieser auf einmal an. Als ich aus dem Fenster sah, sah ich nur Rauch und kapierte erstmal gar nicht wo der denn herkam. Der Fahrer öffnete die Tür um von einem völlig unaufgeregten Menschen gefragt zu werden, ob er denn einen Feuerlöscher hätte. Beide gingen dann zur Quelle des Qualmes, welche nicht, wie ich dachte, irgendwas mit dem Reifen zu tun hatte, sondern das Auto des relaxten Typen war. Die beiden Genies öffneten also die Tür des Wagens und sofort schlugen ihnen meterlange Flammen aus dem Innenraum entgegen. Kam richtiges Paris-feeling auf. Nachdem der Feuerlöscher irgendwohin entleert wurde, ohne grossartig Eindruck zu machen, fuhren wir einfach weiter. Allerdings war die Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt auch schon am einrücken.

Ging dann auch ähnlich absurd weiter.
In meiner Klasse sitze ein Idiot, der es lustig findet die ganze Zeit im Unterricht meinen Namen zu brüllen. Ohne jeglichen Grund geht das die ganze Zeit so:
"Raaaaaaalf! Hey! Raaaaaaaalf! Raaaalf Naaaseee!"
Irgendwann sollte ich dann etwas vortragen und kaum dass ich angefangen hatte blökte er schon dazwischen:
"Ey! Lauter!"
Da hatte ich dann keine Lust mehr. Bin aufgestanden, hab noch einen Stuhl geholt und direkt neben meinen gestellt und ihm gesagt, dass es mir nun reiche und er solle jetzt aufstehen und sich neben mich setzen. Die ganze Klasse hat ihn dann ausgelacht und ihm war das ganze offensichtlich peinlich. Die Wärterin unterstützte mein Vorhaben zwar, jedoch jammerte er etwa drei Minuten rum ("Ich bin doch nich schwul ey und geh dahin!") und dann wars auch gut und er blieb wo er war. Dafür war es dann allerdings während ich danach redete zum ersten Mal seit ich in diesem Zirkus gelandet bin tatsächlich ruhig.
Als die Wärterin zwischendurch den Raum verliess machte dieser Idiot - ich weiss seinen Namen nicht, jedoch könnte er von seinem ganzen Auftreten und way-of-life her auch Cedric-Kevin heissen, weswegen ich ihn im Folgenden auch so nennen werde - Cedric-Kevin machte nun also sein Handy an und spielte einen irrsinnig lauten und hohen Ton ab. Ich hatte noch am Abend beim Partymachen Ohrenschmerzen auf einer Seite davon.
Als dann irgendwann auch noch aus seiner Ecke ein durch den Raum gebrülltes
"Ey du Jude!"
kam, dachte ich mir schon, dass der Rest des Tages eventuell noch unangenehm werden könnte.

In der Hausordnung gibt es einen ziemlich zentralen Punkt, der da lautet, "Das Mitbringen von Waffen ist verboten.".
Das klingt zwar nicht unbedingt nach Gummiparagraphen, jedoch halte ich es für unumgänglich mit den üblichen Massnahmen dort aufzukreuzen - allein schon, weil ich ja vorher zum Bahnhof muss und keine Lust habe zwischen minderjährigen Islamistengangs, Naziprolls und Nazijunkies (Ja, das sind zwei verschiedene Fraktionen an unserem Bahnhof.) ohne diverse Sachen zu stehen. Da ich nun ohnehin schon genervt und angespannt war, dachte ich, ich packe lieber etwas vom Rucksack in die Innentasche meiner Jacke.

Mein Bauchgefühl wurde dann in Geschichte bestätigt.
Aufgabe war es, in eine Karte Europas mit Hilfe eines Atlanten die Länder- und Hauptstädtenamen einzutragen.
Als Cedric-Kevin dann bei Deutschland war, kam es wie es kommen musste:

"Deutschland, Deutschland über a-a-lles..."


Da wars mir dann genug: Aufgestanden, Hand an die Innentasche, andere Hand in die Aussentasche, zu ihm hingegangen und ihn angeschrien, dass es jetzt genug sei und er jetzt sofort aufstehen und rausgehen solle, damit wir das klären können.
Er war völlig entsetzt, weil er gar nicht kapierte, warum ich mich so aufretge und er das einfach nicht erwartet hatte. Der Lehrer ging dann ziemlich zögerlich dazwischen und versuchte Cedric-Kevin zu erklären, dass sowas nunmal zu erwarten sei, wenn er Nazihymmnen singt. Da Cedric-Kevin jedoch immernoch nicht kapieren wollte worums geht, bot ich dem Wärter an, mit Cedric-Kevin in den Aufenthaltsraum zu gehen und ihm das zu erklären. Der Wärter tat sich sichtlich schwer mit der Entscheidung und wollte mehrmals von mir wissen, ob ich ihm denn versichern könne, dass da "jetzt nix passieren wird".
Hab mir also den Idioten im Aufenthaltsraum auf einen Stuhl gesetzt und angefangen ihm das zu erklären.
Da es meiner Erfahrung nach Wenig bringt, in solchen Situationen mit grundsätzlicher Ablehnung des Faschismus und abstrakten Zahlen zu argumentieren, tischte ich Cedric-Kevin auf, mein Opa sei von den Nazis in Sachsenhausen ermordet worden. Was zwar gelogen, aber zweckmässig ist. Das reichte dann auch ziemlich schnell, um ihn zur Einsicht zu bewegen, sich zu entschuldigen und mir zu versichern ich hätte nicht überreagiert als ich ihm Schläge androhte.
Das Cedric-Kevin kein Nazi ist, war mir klar und das habe ich ihm auch gesagt.
Er ist halt nur ein Idiot. Das habe ich ihm auch gesagt.

Zwischendurch steckte dann der Lehrer vorsichtig seinen Kopf um die Ecke und wollte nachsehen ob mit Cedric-Kevin noch alles in Ordnung sei.
Kurz darauf, kam der Chef meiner Gang in den Raum und baute sich in der Tür auf:
"Ey Ralf! Alles in Ordnung bei dir?"
Als wir dann wieder im Klassenraum waren, wurde Cedric-Kevin von den nicht-deutschen Mitschülern erstmal lautstark empfangen und beschimpft. Allerdings schienen sie jedoch nicht so ganz kapiert zu haben, worum es ging:
"Ey bist du kein Deutscher?"
"Äh... ich bin in Deutschland geboren."
"Und woher kommen deine Eltern?"
"Die sind auch hier geboren."
"Ey also bist du doch Deutscher! Was regst du dich dann so auf?"
"Ja aber ich bin doch kein Nazi..."
"Ah... achsoo...
[dreht sich zu Cedric-Kevin] Ey du scheiss Nazi! Der hätte dir ein auf die Fresse haun sollen!"

Tja, ob das nun insgesamt als Erfolg zu verbuchen ist, ist fraglich.
Schliesslich wurde ich danach in der Klasse nicht deswegen abgefeiert, weil ich es nicht habe durchgehen lassen, dass da Naziparolen verbreitet werden, sondern weil ich bisher in diesem Kurs die grösste Gewaltbereitschaft gezeigt habe.
Also von der Aussenwirkung her wohl doch nicht so emanzipatorisch.
Aber dafür finden die mich jetzt alle - bis auf Cedric-Kevin - cool...
Ich hoffe nur, das nächste Woche da keineR auf die Idee kommt jemanden abzustechen, sonst bin ich nicht mehr so beliebt...

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